Der ersehnte Sommerurlaub stand vor der Tür. Philip plante mit seiner Frau und deren 22 Monate alten Tochter einen zweiwöchigen Trip nach Südfrankreich. Fest stand, es sollte kein reiner Angeltrip werden, sondern ein zweiwöchiger Familienurlaub, welcher mit dem Karpfenangeln kombiniert wird.
An welches Gewässer denkt man in erster Linie wenn es an die Côte d’Azur geht? Richtig, an das wohl bekannteste Karpfengewässer der Welt, den Lac de Saint Cassien. Nach einer elfstündigen Fahrt sind wir Samstagmittag endlich an unserem Ziel angekommen.
Ich befischte bereits vor vier Jahren zum ersten Mal den Cassien. Damals war es ein Kurztrip zusammen mit Tobi. Für mich war es sicherlich ein klarer Vorteil, schon mal dort gewesen zu sein, so konnte ich mir bereits im Vorfeld Pläne schmieden, wie ich das Angeln in Kombination mit der Familie am besten gestalten könnte. Auf Grund des Nachtangelverbots sind die Angelzeiten am Cassien kurz. Leider halten sich viele Angler nicht mehr daran. Dazu kommt noch, dass Anfang September die Sonne bereits um 20 Uhr untergeht. Die Zeit für Unternehmungen mit der Familie darf natürlich auch nicht zu kurz kommen. So gehörte die erste Tageshälfte ganz der Familie. Ausflüge nach Cannes, chillen am Strand und gemeinsame Mittagessen füllten den Tag bis zum Nachmittagsschlaf unserer Tochter.
Am Nachmittag begann meist das Angeln für mich. Dann hieß es, Slipstelle anfahren, Falte aufbauen, beladen und los geht’s. Ein großer Vorteil war auch, dass ich ein Appartement gebucht hatte, welches in unmittelbarere Nähe zum See lag.
Ich hatte mich an meinem zweiten Angeltag für einen Platz entschieden, welcher nur wenige Gehminuten von unserem Appartement entfernt lag und in kürzester Zeit mit dem Boot erreichbar war. So konnte meine Frau und Tochter kommen und gehen, wann sie möchten und wir waren sehr flexibel. Erschwerend kam hinzu, dass zu dieser Zeit sehr viele Karpfenangler am See waren und die meisten Stellen somit immer besetzt waren. Doch ich hatte Glück: Mein Platz schien für andere Angler eher unattraktiv zu sein, so hatte ich nie ein Problem, dass dieser besetzt war, obwohl ich erst spät am Tag mit dem Angeln begann.
„Entweder er liebt Dich oder er hasst Dich“ so hat es einst Meik Pyka bereits gesagt. Mich schien der heilige See zu mögen. Ich hatte den perfekten Platz für uns und die Fische fingen auch noch an zu beißen. Unter Tags war es sehr heiß und die Fische wurden erst zur Abenddämmerung aktiv. Ich glaube es war gegen 19:30 Uhr als der erlösende Biss kam. Ich konnte einen schönen kleinen Spiegelkarpfen landen. Perfekt! Der Anfang ist getan.
Während ich dabei war, mit dem Selbstauslöser Fotos im Steilufer zu machen wurde es bereits immer dunkler. Um 21:00 Uhr wurde jeden Abend das Angeln von mir eingestellt, da es dann genau eine Stunde nach Sonnenuntergang war. Es dürfte eine viertel Stunde davor gewesen sein, als eine weitere Rute ablief. Sofort ins Boot und Richtung Spot gerudert. Es war schon richtig dunkel und die Kopflampe wurde an diesem Tag im Appartement vergessen. Ich drillte den Fisch und merkte dass es ein besserer war. Jedoch hing er in einem Hindernis fest. Ich spürte immer wieder Kopfschläge. Ich versuchte es gefühlt eine viertel Stunde die Schnur zu befreien, bis es auch endlich gelang. Ich konnte den Fisch im Freiwasser ausdrillen. Auch ohne Kopflampe ging alles gut und ich konnte einen 18 Kilo Spiegelkarpfen sicher landen. Zurück am Ufer angekommen wurden erst einmal die beiden anderen Ruten rein geholt bevor ich die Bilder gemacht habe.
Was für ein Einstand! Das komplette Tackle wurde eingepackt und zur Slipstelle gebracht wo das Auto beladen wurde. Zurück ins Appartement und die beiden Fische bei einem Glas Wein Revue passieren lassen. Nach diesem Erfolg vertraute ich in meine Taktik und wollte es am Folgetag gleich angehen. Nachdem meine Angelstunden täglich begrenzt waren, wollte ich meine Köderpräsentation so attraktiv wie möglich anbieten. Ich setzte auf auffällige Pop-Up Rigs welche zu schnellen Bissen verleiten sollten.
Auch an diesem Tag wurden die Ruten auf die vertrauten Spots verteilt. Nachdem sich immer wieder Fische genau vor den Füßen im Steilufer gezeigt hatten, wurde auch hier eine Rute abgelegt. Erneut trat die Dämmerung ein und genau die Rute vor den Füßen lieferte einen Vollrun. Exakt in dem Moment, in welchem ich den Fisch keschern konnte, Run auf einer anderen Rute. Jetzt brach Hektik aus aber ich hatte Glück. Dieser Fisch nahm derartig viel Schnur, dass ich ihn sicher aber in einem komplett anderen See Teil landen konnte. Mir kam es vor wie ein Déjà-vu vom Vorabend. Die zwei letzten Ruten wurden wieder aus dem Rennen genommen und ich bereitete die Kamera vor. Das ausgebrochene Chaos sieht man mir auf den Bildern regelrecht an. Die Qualität der Bilder lässt ebenfalls zu wünschen übrig aber der Moment stand definitiv im Vordergrund!
Die erste Urlaubswoche lag bereits hinter uns und ich war mit vier Fischen am Cassien mehr als happy. Es konnte eigentlich kaum noch besser werden. Uns verschlug es in eine mir bisher total unbekannte Region Frankreichs, in die Alpen. Das extrem blaue oder fast schon türkise Wasser und die geringen Informationen über das Karpfenangeln reizten uns, hier noch einige schöne Tage zu verbringen. Mir ist es wichtig, Neues zu probieren, fremde Gewässer zu erkunden und nicht stehen zu bleiben. Auf altbewährten Erfolgen oder Bekanntes zurückzugreifen ist meist einfacher aber nicht so reizvoll, als fremde Welten zu erkunden. Bei den ersten Fahrten mit dem Boot schaue ich immer wieder verdutzt auf das Echolot. Genauso wie die hügelige Berglandschaft, geht es auch unter Wasser weiter. Ein reines Unterwassergebirge mit scharfen Steinpackungen und extremen Tiefen. Eine komplett neue Erfahrung und Herausforderung. Sofort kamen mir die ersten Gedanken ob es hier überhaupt Karpfen gibt, doch warum sollte es nicht so sein?
Als Unterkunft wählte ich wieder ein Appartement in Seenähe und gestaltete das Angeln und den Familienurlaub ähnlich wie am Cassien. Mit völliger Ahnungslosigkeit über den Fischbestand wurden die Ruten vorbereitet, das Futter an gemischt und es konnte losgehen. Ich konnte es kaum glauben, dass ich am ersten Tag bereits einen Run bekam. Völlig nervös mit dem Boot in Richtung Fisch gerudert, merkte ich bereits, wie die Schnur immer wieder am felsigen Untergrund festhing. Verdammt! Der erste Fisch ging verloren. Kein Abriss, aber ich denke hier hat nicht viel gefehlt bei derartigen Steinpackungen. Schnell überdachte ich meine Montagen und montierte auf allen Ruten Subfloats. Anders wäre es hier nicht möglich, ohne dass eine Schnur nach der anderen durch die scharfen Steine gekappt wird.
Alle Ruten wurden wieder auf die gefütterten Spots gebracht, in der Hoffnung noch mal einen Biss zu bekommen. Am zweiten Angeltag war es dann soweit und ein Bissanzeiger signalisierte einen Vollrun. Ich muss gestehen, es ist schon ein tolles Gefühl in solch einer besonderen Kulisse und umgeben von Bergen einen Fisch zu drillen. Mir zitterten die Knie in der Hoffnung nicht auch diesen Fisch zu verlieren. Als der Fisch über die Keschermaschen glitt, war ich völlig platt. Der zweite Run an einem unbekannten Gewässer und dann noch eine richtige Bombe! Es war ein richtig schön gefärbter 18 Kilo Spiegler.
Was dann passierte ist kaum vorstellbar. Alle Ruten und Futterplätze fingen in den kommenden Tagen an zu laufen. Alles war perfekt. Den 18 Kilo Fisch konnte ich zwar von der Größe her nicht mehr toppen, aber das ist auch vollkommen egal. Wir erlebten einen wahnsinnig schönen Resturlaub als Familie und konnten nebenher noch wilde Karpfen fangen. Was will man mehr? Für mich war es die erste Tour ins Ausland zusammen mit der Familie, insbesondere als Vater. Natürlich ist es ein anderes Angeln und ein anderer Trip, als mit dem besten Angelkumpel – aber es funktioniert! Man muss sich darauf einlassen, Abstriche akzeptieren, auch wenn es manchmal schwerfällt. Wenn es dann aber noch einer der besten Sessions wird, gibt es keinen Grund mehr zu zweifeln, sondern kann die gemeinsame Zeit mit den Liebsten am Ufer eines wunderschönen Sees genießen!